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Was ist 'Agile' Personalentwicklung?

Götz Piwinger • 2. März 2022

Wer heute nicht das Adjektiv “agil” irgendwo einem Substantiv voranstellt, gilt als möglicherweise Saurier oder Steinzeitmensch. In einigen Überschriften findet sich der Begriff “Agile Personalentwicklung”, doch bei näherer Betrachtung sucht man den Bezug in den detaillierten Ausführungen dann vergebens. Ich möchte den Versuch unternehmen, diesen Themenfeld ein wenig aufzuklären. Zunächst die gute Nachricht: Es gibt sie wirklich. Bei der Definition ist jedoch Vorsicht geboten. Im People Development gilt zunächst das Mantra:

HR-Methoden und -Systeme müssen im Einklang stehen!

Es hilft also keineswegs, etwa Kompetenzentwicklung oder auch die Entwicklung von Erfahrungswissen als PE-Methode einzusetzen, um agil zu werden. Auch der Einsatz von Learning Management Systemen erzeugt noch keine Agilität. Die Nutzung zentral gesteuerter HRIT-Systeme schon gar nicht. Hilft es dann vielleicht, neue Rollen zu installieren, beispielsweise den “Agile Coach”? Oder gar auf modern getrimmte Zielwertmethoden, wie OKR? Egal, welche Buzzwords uns einfallen, kein einiges kennzeichnet die Agile Personalentwicklung alleine. Doch tatsächlich gibt es ein entscheidendes Kriterium. Wenn “agil” für Beweglichkeit, Flexibilität und situationsgerechte Handlungskonsequenz steht - wenn veränderte Situationen schnell zum Vorteil der Organisation genutzt werden können, dann können wir uns von diesem Zielergebnis rückwärts tasten und im Sinne einer Prozess-Journey die Lösung erarbeiten. Zunehmend kommen Einflüsse und Veränderungsimpulse für die HR von aussen: Digitalisierung, Demografie, Internationalisierung, Covid, Brexit u.v.m. Wir in der HR sind immer sofort betroffen, die Art und Weise unseres Handeln damit schnell wachsend zu einem wertvollen Unternehmens-Asset. Beispielsweise “Mitarbeitende finden und binden” funktioniert nicht in jeder Fachabteilung auf dieselbe Weise. In jedem Fall muss die beste Ansprache für das Zielclientel gefunden werden, am besten noch auf Augenhöhe! Dies ist der erste Hinweis auf die benötigte Agilität in der HR. Die Ansprache muss vom Team ausgehen. ES kann nicht sein, dass wir - jedes Mal wenn eine Veränderung von außen kommt - nach Seminaren rufen. Konsequent gedacht, fielen wir mit dieser Methode immer weiter hinter die Gegenwart zurück, denn es der Zeitverzug zwischen Ereignis und Seminar ist immer einer Zeit t, die sich aufaddiert. Wir müssen in die Lage kommen, sozusagen “just in time” lernen, entscheiden und handeln zu können.

Diese Beispiele machen deutlich, wohin die Reise geht. Die dezentrale Personalentwicklung ist der Schlüssel. Alle HR-Belange, die besser in Abteilungen und Team aufgehoben sind, sollen auch dorthin. Diese “Embedded HR” setzt voraus, dass der Handlungsraum zur Ermöglichung - der Ermöglichungsraum - durch die zentrale HR geschaffen werden muss.

Der Kern des Mehrwerts der agilen PE liegt in der Dezentralisierung!

Diese Voraussetzungen systematisch zu erzeugen, ist die derzeitige Hauptaufgabe der Personalentwicklung. Erfreulicherweise funktioniert die Implementierung in der Verbreitung viral, d.h. exponentiell im Schneeballsystem, denn wir arbeiten bei der Entwicklung aller Führungskräfte immer im “Top-Down-Modus” . Dies betrifft der Entwicklung zum Kompetenzmanager und Agile Coach ebenso wie die -vom ersten Tag an - konsequente Nutzung echter Workflow-Tools (nicht nur von Einzelprogrämmchen), beispielsweise um digital gestützte, anlassbezogene, orts- und zeitunabhängige Mitarbeitergespräche führen zu können. Oder auch um selbstorganisiertes Lernen möglich zu machen und die zielgerichtete (!) Kommunikation zu fördern. An dieser Stelle werden von den Top-Führungskräften klare Entscheidungen erwartet. Coaching einkaufen macht vielleicht noch Spass, aber die Verantwortung für ein System zur Abbildung des Learning Experience Ecosystems (LXE) zu übernehmen erfordert echte Stärke und Teamgeist. Denn meistens haben sich im Laufe der Unternehmensjahre schon bestimmte Tools eingebürgert, die zwar oftmals bekanntermaßen schlecht, aber a) noch nicht abgeschrieben sind oder b) an dem die Beschäftigten sich wie Ertrinkende am Rettungsboot festklammern. Hinzu kommt, dass klassische IT nicht immer unserer Freunde sind, denn dort hält man lieber an bestehenden Partnern fest, warnt eindringlich vor Schnittstellenproblemen und möchte lieber eine eigene Lösunge vorschlagen. In der agile Personalentwicklung brauchen also auch IT-Botschafter und -Diplomaten, um neue, dezentrale Workflows umsetzen zu können. Die meisten Unternehmen wissen im Grunde ganz genau, was benötigt wird. Es wurde bislang meistens noch nicht einmal ein Zielszenario entwickelt. Das wäre vor dem Hintergrund der Flächenakzeptanz allerdings ein sehr wichtiger Schritt.

von Götz Piwinger 10. August 2022
Ist Fachkräftemangel eine Führungsschwäche? Der erste Weg aus dem Fachkräftemangel scheint die Anwerbung zu sein. Wir alle kennen die mehr oder weniger kreativen Stellenanzeigen oder auch solche, die knallharte Anforderungen beschreiben. Beides führt in den seltensten Fällen zum nachhaltigen Erfolg. Warum ist das so und was können Führungskräfte tun? Stellenanzeigen sind leicht zu realisieren: Man beauftragt eine SoMe-Agentur und investiert beispielsweise 15 T€ für eine wichtige Stellenwerbung. Das klingt relativ einfach und es ist wirklich der einfachste und angenehmste Weg für das Management im Mittelstand. Wie kommt es dazu? Der Führungsstab diskutiert über Möglichkeiten zur Behebung des Fachkräftemangels und kommt am Ende nach schwerem Ringen zum Schluss, man müsse verstärkt Stellenanzeigen platzieren. Und man sei bereit, dafür auch “richtig viel” Geld in die Hand zu nehmen, beispielsweise fünfzehntausend Euro. Geschafft! Endlich hat man einen Kraftakt geschaffen, um dem Problem entschlossen entgegenzutreten. In den nächsten Wochen beobachtet man voller Stolz, in wie vielen Medien die Stellenanzeigen erscheinen. Diese bedeuten auch immer Werbung für ein Unternehmen, weil diese auch Ausdruck von Wachstum und Potenz sind - bisher jedenfalls. Dann freut man sich gemeinsam über den Eingang einiger Bewerbungen, führt Gespräche über Gespräche, doch am Ende sind die wirkliche Wunschkandidaten selten dabei, denn Fachkräftemangel heißt meistens auch Branchenerfahrung und - wenn es auch nur selten ausgesprochen wird - die Erwartung einer gewissen Jugend! Alt ist man schließlich bald selbst. Nach einer gewissen Zeit folgt eine weitere Krisensitzung zum Thema und man rechtfertigt sich gegenseitig, dass man ja wirklich “alles” Menschenmögliche versucht habe, und man habe auch viel investiert, doch am Ende liegt es wahrscheinlich an äußeren Umständen und selten an einem selbst. Kommt Ihnen dieses Muster bekannt vor? Gleichzeitig muss ein Augenmerk darauf gerichtet werden, dass Mitarbeitende dem Unternehmen auch erhalten bleiben, also um Bindung. Auch setzt das Management nach den Erkenntnissen des Erasmus-Instituts primär auf sogenannte Benefits -wie beispielsweise Firmen-E-Bikes- und weniger auf strukturelle und damit nachhaltige Änderungen. Das erhöht möglicherweise die Abwerbechancen des Wettbewerbs. Bei der Anwerbung geht es meistens um Rechtfertigung und den Anschein, beherzt durchgegriffen zu haben, getrieben vom Wunsch nach schnellem Erfolg. Das Management möchte zeigen, dass man die Ärmel hochkrempeln kann, dass man zupacken kann, wenn es darauf ankommt. Das Recruiting ist ein herrliches Instrument zur Selbstdarstellung, eine wunderbare Plattform für Meetings, Gespräche und ernste Gesichter. Schließlich gehen diejenigen, die darüber entscheiden, in einigen Jahren in den Ruhestand und in Altersteilzeit, wie viele demographische Studien beweisen. Kurzum: Es fehlt in vielen Fällen die Motivation, das Unternehmen nachhaltig umzugestalten, um den Fachkräftebedarf zu sichern. Sicherlich haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum sehr gute Fachkräfte für NGO´s arbeiten? Oder warum hochkarätige Software-Architekten in kleinen Unternehmen arbeiten oder auch andersherum: In kleinen Abteilungen von Versicherungen herumdümpeln? Auf diese Fragen gibt es zwei Antworten. Zum einen geht es um Werteorientierung und demzufolge auch um werteorientierte Führung. Der andere Aspekt ist die Kompetenzorientierung. Das Management der Zukunft steht für werte- und kompetenzorientierte Führung. Wir können das tief im Menschen verankerte Verhalten nicht ändern, sein Handeln aber schon! Was mancherorts fälschlicherweise als “Mindset” bezeichnet wird, ist in Wahrheit, die erfolgreiche Übung, in bestimmten Situationen kompetent und auf Basis der gemeinsamen Werte zu handeln. Es ist als eine Handlungsbereitschaft. Und genau diese kann zielgerichtet und strukturiert entwickelt werden. Interessierte und Mitarbeitende spüren sehr schnell, ob ein Unternehmen konsequent nach gemeinsamen Werten handelt oder nicht. Denn Werte geben Sicherheit. Und die ist wichtig! Wenn Stellenanzeigen ökologische Verantwortung bewerben, sich aber nicht daranhalten oder wenn Menschenrechte zwar auf den Hochglanzbroschüren prangen, aber im Unternehmen nicht konsequent geachtet werden, geht das langfristig schief. Ich empfehle, beispielsweise die siebzehn UN-Nachhaltigkeitskriterien als Prüfschablone auf jeder Unternehmensentscheidung zu legen, um gemeinschaftliche Prinzipien und Werte offenzulegen. Nicht jeder Mitarbeitende will ständig gefordert werden, im Rampenlicht stehen oder in Krisenstäben arbeiten. Andere blühen erst dann richtig auf. Die Zusammenstellung der Teams nach Kompetenzkriterien auf Basis gemeinsamer Werte wird ein wesentlicher Teil der Führung. Nehmen wir unser beliebtes Beispielteam “Bankraub”. Man braucht ein gemeinsames Ziel, auf dessen Basis die gemeinsamen Werte und Prinzipien entwickelt werden. 1) Gemeinsames Ziel: Eine Bank ausrauben und nicht erwischt werden 2) Gemeinsame Werte/ Prinzipien (kleine Auswahl):: Körperliche Fitness, Abstinenz, gegenseitige Anerkennung, Respekt und Hilfsbereitschaft … 3) Kompetenzprofile (Auszug):
von Dr. Hartmut Kainer 19. Juli 2022
5 Fragen an...
von Götz Piwinger 27. Juni 2022
Wer den Begriff Fachkräftemangel hört, denkt schnell an Recruiting. Wo bekommen wir bloß schnell gute Leute her? Dann fließt viel Kraft und Geld in die Personalwerbung, aber irgendwie hilft es nicht. Woran kann das liegen? Und wie geht es besser? Wir alle kennen die einschlägigen Stellenangebote auf den großen Plakatwänden. Beispiele gibt es mehr als genug: „Du willst den coolsten Job der Welt? Dann bist Du bei uns richtig!“ „Wir suchen den ultimativen Sandwich-Gott“ Und dann möglichst mit QR-Code, weil man ja ein unheimlich moderner Arbeitgeber ist. Diese Displays sind teilweise so peinlich, dass wir uns fragen: „Welcher Vollpfosten sollte sich denn bei denen melden?“ Und genauso sieht das die Zielgruppe auch. Während sich diese Art der Anzeigen eher an regionale Interessenten richtet, stellen uns die Business-Netzwerke, wie LinkedIn & Co. vor andere Herausforderungen: „Head of“ …“Vice President“…“Senior-Irgendwas“…“Program Director“ …“Chief-Architect“, um nur einige Beispiele zu nennen. Hier scheint man in vielen Fällen darauf zu spekulieren, dass ein schöner Titel die besten Interessenten bringt. Anzeigen in SoMe sind teuer, auch seitdem Google in diesem rentablen Business mitspielt. All dies sind verzweifelte Versuche zur Selbstrechtfertigung der Recruiting-Abteilungen, die in der HR angesiedelt sind. Ganz zu schweigen von den unsäglichen Onboarding-Prozessen, welche die Unternehmen mit sehr viel Zeit belasten. Na gut: Gemeckert ist schnell. Das Ziel dieser Schilderung ist nur die Selbstreflexion. Denn wir alle lesen diese Anzeigen und fragen uns, woher denn ausgerechnet genau diese Spezialisten herkommen sollen. Diese führt im Übrigen in der Konsequenz dazu, dass der ein oder andere Bewerber dazu neigt, seinen CV etwas ambitionierter anzupassen. Ein völlig neues Phänomen ist die Entziehung aus dem Arbeitsmarkt. Fachkräfte stehen dem Arbeitsmarkt einfach nicht mehr zur Verfügung, weil sie nicht bereit sind, sich gedankenlos unterordnen zu müssen. Am bekanntesten ist diese Entsagung in der Gastronomie, aber auch im Bereich des Managements ziehen sich viele nach genauer Betrachtung der eigenen Situation zurück -beispielsweise, weil die Wohnung abbezahlt und die Kinder aus dem Haus sind. Denn dann reicht weniger Geld zum Leben aus und man kann Sinnstiftendes tun. Der ehemalige Steuerberater repariert Fahrräder, der Ingenieur eröffnet eine Vinothek, die Controlling-Managerin geht auf Teilzeit, um im Fitness-Studio zu arbeiten. Wir alle kennen diese Beispiele aus unserem privaten Umfeld. Leider erfordert der Prozess zur nachhaltigen Fachkräftegewinnung eine gründliche Vorbereitung. Auch die Offenlegung dieser Vorbereitung kann ein Trumpf sein. Doch dazu später mehr. Um eine Metapher zu nutzen: Es ist nicht mehr so, dass der Unternehmer der Busfahrer ist und seine Leute überall mit hinnimmt. Vielmehr entscheiden die Menschen, wo sie einsteigen, wie lange sie mitfahren und wo sie wieder aussteigen. Umso aufregender die Busfahrt ist – und das liegt immer an Beteiligung und Mitgestaltung- desto länger bleiben die Menschen an Bord und immer mehr steigen zu. Es ist aber auch nicht so, dass sich ein Arbeitgeber bis zur Unwirtschaftlichkeit verbiegen muss, um nur noch das Wunschkonzert der Beschäftigten zu spielen. Jeder kennt seine eigene Rolle. Nicht alle wollen Verantwortung tragen, nicht jeder will reisen, und nicht alle haben gleiche Fähigkeiten. Aber gemeinsam ergeben sie ein Ganzes, alle sind wichtige Teile einer leistungsfähigen Organisation. Das klare, gemeinsame Ziel ist immer der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens. Aus einer Studie der ERASMUS GmbH wurden die Dimensionen zur nachhaltigen Bewältigung des Fachkräftemangels herausgearbeitet. Am Ende geht es um Glaubwürdigkeit im Arbeitsalltag. Das, was Unternehmen nach außen hin versprechen, muss im Arbeitsalltag auch gelebt werden. Dies erfordert – und das ist auch im Soll-Ranking der Arbeitgeber an Stelle Eins – die Veränderung des Mindsets von Führungskräften und Mitarbeitenden. Was alle wollen, ist eine „Lernende Organisation“ mit folgenden Einzelzielen: Klare Visionen, gemeinsame Zielsetzungsprozesse, Orientierung am Nutzen der Kunden Kooperations- und Konfliktlösungsfähigkeit, wechselseitiges Vertrauen und Teamgeist Prozessorientierung und Selbstregulation in Gruppen Demokratischer und partizipativer Führungsstil, Unterstützung neuer Ideen (v. a. durch die Führung), Innovationsmanagement Integration von Personal- und Organisationsentwicklung Belohnung von Engagement (auch Sharing-Aktivität) und Fehlertoleranz bei riskanten Vorhaben Fähigkeit und Möglichkeit zur Reflexion Funktionierende Informations- und Kommunikationssysteme (KMS, LMS, TMS)* Rascher und genauer Überblick über die Wirkung der wichtigsten Prozesse (z.B. OKR)** * KMS= Knowledge Management Sys., LMS= Learning Management Sys., TMS=Talent Management S., **Objectives and Key Results Um diese Ziele erreichen zu können, muss an unterschiedlichsten Schrauben justiert werden, um dem Fachkräftemangel erfolgreich begegnen zu können. Diese sind in der folgenden Grafik der ERASMUS GmbH dargestellt:
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